Mit beiden Koffern dran klappt's nicht
Mit beiden Koffern dran klappt's nicht

2. Teil: 2 Pässe


Montag:
Langsam wird es ernst, heute ist planmäßig Piste angesagt. Wir wollen das Hurtadotal hoch fahren, den Passo Tres Cruces queren und ins Elquital gelangen. Vorher brauchen wir noch Sprit und müssen aus der Stadt finden. Mehrmals verfahren wir uns, bis wir endlich im richtigen Tal unterwegs sind. Auch als der Asphalt aufhört, bleibt der Untergrund Vertrauen erweckend. Mit 50 – 60 kann man die meiste Zeit fahren. Nach Hurtado steigt dann die Strecke und verlässt das Tal. Mit jedem Kilometer wird die Stecke schlechter. So eine Mischung von Cirque de Jaffar und Jafferau, aber voll beladen. Letzte Kehre mit der Passhöhe vor Augen, aber es reicht nicht – die Q liegt. In 2000 m Höhe und bei über 30° alles abpacken, aufrichten, neu packen und Endspurt. Aber danach ist die Strapaze nicht zu Ende. Wir halten uns einige Zeit auf gleicher Höhe, dann geht es in steiler, sandreicher Abfahrt talwärts. Eine rötliche Erosionslandschaft mit spärlichem Bewuchs bildet das Umfeld. Erst kurz vor Vicuna tauchen die ersten Weinfelder auf. Riesige geometrische grüne Muster in rötlicher, sonst völlig bewuchsloser Landschaft. Unten führt uns der Weg erst mal in den kleinen Ort und dort, wie immer automatisch, an die Plaza las Armas. Im Supermercado kaufen wir etwas zum Essen und schon wird der erste Junge auf das Mopped zum Fotografieren gehoben.


Nach der Stärkung fahren wir das Elqui Tal Richtung Pisco Elqui hoch. Bei einem kurzen Fotostop fliegt eine F 800 GS 30er Edition im vollen Touratech Upgrade an uns vorbei, um nach 1 Minute wieder bei uns zu stehen. Die Maschine ist in Bolivien zugelassen, von einem kanadischen Diplomaten mit Wurzeln in Frankreich. Wir tauschen uns eine Weile aus über das woher und wohin, fahren dann gemeinsam nach Pisco weiter zum Abendessen.

Eine der vielen Totengedenkstätten, diesmal mit chilenischer Flagge. Bei der defensiven Fahrweise der Chilenen können wir uns die große Anzahl gar nicht erklären. Vielleicht auch Fußgänger in der Dunkelheit bzw. auf der Autobahn. Im Hintergrund das vordere Hurtadotal.

Der kleine Ort Hurtado
Der kleine Ort Hurtado
Die Piste wird einspurig ...
Die Piste wird einspurig ...
Blick zurück von der Paßhöhe auf die letzten Kurven
Blick zurück von der Paßhöhe auf die letzten Kurven
Aus der Ferne grüßt das Observatorium Tololo vom höchsten Berg, das wir aber nicht besichtigten durften...
Aus der Ferne grüßt das Observatorium Tololo vom höchsten Berg, das wir aber nicht besichtigten durften...
in der scheinbaren Trostlosigkeit auf einmal fruchtbare, tiefgrüne Flecken: wieder ein Weinfeld ...
in der scheinbaren Trostlosigkeit auf einmal fruchtbare, tiefgrüne Flecken: wieder ein Weinfeld ...
aber es kann auch so aussehen ...
aber es kann auch so aussehen ...

Dienstag:


Am nächsten Morgen sehen wir erst richtig, in welchem kleinen Paradies wir hier im „Tesoro Elqui“ wohnen dürfen. Alles ist wunderbar gestaltet und mit schönen Blumen angelegt. Ein Pool gehört dazu, und die Räume sind ebenfalls gemütlich eingerichtet. Das Frühstück ist klasse und wir beschließen, hier einen Erholungstag ein zu legen. Wir sprechen mit Klaus, der hier selber Endurotouren organisiert, über unser Reichweitenproblem am Paso San Francisco und nebenbei kommen wir auf den hiesigen Paso Agua Nera zu sprechen, den er uns wärmstens ans Herz legt. Kein Reichweitenproblem, eindrucksvolle Landschaft und einer der höchsten Pässe dieser Erde mit seinen 4770 m.


Wir überlegen, studieren die Karte, trinken ein Glas vom guten einheimischen Merlot, fragen, ob unser Zimmer eine weitere Nacht frei ist, und beschließen zu bleiben. Und morgen früh zum Agua Negra Pass zu fahren.

Teil des "Schatzes"...
Teil des "Schatzes"...
Im Ort Pisco Elqui
Im Ort Pisco Elqui

Mittwoch, 21. Dezember,


wir sind die Ersten beim Frühstück, das Moped steht schon auf der Straße und dann geht es erst mal nach Vicuna zum Tanken. 40 km in die „falsche“ Richtung. Der freundliche Tankwart - eigentlich sind hier alle Menschen freundlich und hilfsbereit - überlässt uns zwei 5-Liter-Kanister, die wohl mal Scheibenreiniger beinhaltet haben. Dann noch etwas Proviant einkaufen und schon ist es 11:00 Uhr. Jetzt wird es aber Zeit! Eine gute Stunde und 93 km später stehen wir beim chilenischen Zoll, werden schnell abgefertigt und gehen dann zu den Carabinieri; wir hinterlegen unsere Pässe und bekommen den Hinweis, dass um 17:00 Uhr Abfertigungsende ist. Bis 18:00 Uhr müssen wir spätestens zurück sein.

Agua Negra, wir kommen! Direkt nach der Grenzabfertigung beginnen 73 km Schotter. Anfangs etwas zaghaft, nimmt von Kilometer zu Kilometer das Vertrauen in Reifen und Untergrund zu, so dass sich auf den guten Abschnitten Tempi von bis zu 80 km/h realisieren lassen. Die Landschaft gewinnt Kilometer um Kilometer an Großartigkeit. Schroffe, über hunderte Höhenmeter völlig glatte Felsabhänge wechseln mit riesigen Murmeln, Vulkanformationen, und dann wieder Geröllfeldern in unbeschreibbaren Dimensionen und wechselnden Farben ab.


Wir klettern relativ leicht und ohne größere Probleme auf 3000, 4000 und schließlich über die 4500m Marke. In endlos langen Schleifen nähern wir uns der Passhöhe, Serpentinen kennen die Chilenen nicht. Es ist kurz vor 15:00 Uhr, dem Point of no Return, wenn wir rechtzeitig beim Zoll zurück sein wollen. Jetzt fährt in Sichtweite zum Pass noch die Schräddermaschine vor uns her. Aber beim Näherkommen macht der Fahrer bereitwillig Platz. Die folgende Strecke ist grob bearbeitet, aber noch nicht fertig. Ich bleibe mit dem linken Fuß an einem Kanister-großen Stein hängen, den ich eigentlich kaum wahrgenommen habe. Er knallt meinen Fuß mit einer Wucht gegen das Motorrad, dass ich zum ersten Mal den Ausdruck „Sterne sehen“ für mich nachvollziehen kann. Ich bringe das Mopped zum Stehen, balanciere auf dem rechten Fuß und gucke erst mal, ob der Fuß noch dran ist. Nach ein paar Sekunden Luft schnappen versuche ich ihn zu belasten – es geht sogar recht gut. Nur schnell aufs Mopped, bevor es schlimmer wird. Jetzt will ich auch auf dem Pass gestanden haben. Der Schmerz ist erträglich, der Fuß lässt sich bewegen und vor allem belasten. Sonst komme ich ja auch kaum auf die Maschine, und ca. 1/3 muss ich im Stehen fahren. Nicht auszudenken, wenn das anders ausgegangen wäre. Da wären die Kekse knapp geworden, bis der „Gelbe Engel“ uns hier raus geflogen hätte. Wir schaffen noch die letzten 3 km problemlos, knabbern unsere Gipfelkekse, machen Fotos und empfinden weder die Höhe von 4775 m laut Navi noch die Temperatur von 15° C im starken Wind als unerträglich.


Nachdem wir die hier für den runterfahrenden Verkehr vorgesehenen Steilabfahrten genutzt haben, sind wir kurz nach 17:20 Uhr beim freundlichen Carabinieri und bekommen die Pässe schon ans Motorrad gebracht. Noch ein paar Meter weiter und dann wird erst mal eine Erholungspause eingelegt. Noch 120 km zurück bis Pisco Elqui, dann können wir uns das hervorragende Menü des Hauses gönnen. Wir sind glücklich über das tolle Erlebnis, nur schade, dass der Zeitrahmen so knapp bemessen war.


Die ersten km hinter der Grenzstation
Die ersten km hinter der Grenzstation
alte Holzbrücken führen zu den wenigen Hütten von Hirten
alte Holzbrücken führen zu den wenigen Hütten von Hirten
unter uns die Gegenspur für die schnelle Abfahrt
unter uns die Gegenspur für die schnelle Abfahrt
und endlich ist der Stausee erreicht, der das ganze Tal zuverlässig mit Wasser versorgt. Siggi liebt grüne Seen
und endlich ist der Stausee erreicht, der das ganze Tal zuverlässig mit Wasser versorgt. Siggi liebt grüne Seen
Das Farbenspiel wird vom ersten Schnee gekrönt, oder eher der letzte
Das Farbenspiel wird vom ersten Schnee gekrönt, oder eher der letzte
Da heißt sogar ein Berg "cerro colorado" = bunter Berg
Da heißt sogar ein Berg "cerro colorado" = bunter Berg
unerwarteterweise gibt es auf mittlerweile 4000 m Höhe auf einmal Vegetation: tiefgelbe Gräser
unerwarteterweise gibt es auf mittlerweile 4000 m Höhe auf einmal Vegetation: tiefgelbe Gräser
Auf der weiten Schleife die letzten Höhenmeter hoch...
Auf der weiten Schleife die letzten Höhenmeter hoch...
... und geschafft  ; trotz des Sabotageversuches
... und geschafft ; trotz des Sabotageversuches
Die letzten Reste an Schneefeldern stehen in diesen Eisnadeln direkt neben der Piste
Die letzten Reste an Schneefeldern stehen in diesen Eisnadeln direkt neben der Piste

In dieser Kargheit freut sich das Auge über jede grüne und gelbe Stelle....
Das Bild steht im übrigen nicht (oder nicht viel) schief, die Straße hat hier soviel Gefälle: der Berg im Hintergrund steht gerade !!

die 3. Steilabfahrt vor uns ...
die 3. Steilabfahrt vor uns ...