Resümee

Hier fasse ich so alle Gedanken zusammen, die mir während der Tour durch den Kopf gegangen sind. Auch für Menschen, die mich nicht kennen und über eine Stichwortsuche hier gelandet sind. 

 

 

 

Resümee in Kurzform: wann kann ich wieder losfahren ????

(vermutlich erst 2024 und vermutlich dann durch Italien)

 

 

Es war einfach großartig, so alleine unterwegs zu sein. In meinem eigenen Rhythmus zu leben, zu essen, zu schlafen, alle Schwierigkeiten alleine zu meistern. Es war viel einfacher als gedacht,  daher möchte ich gerne Anderen Mut machen, auch loszufahren oder vergleichbare Dinge zu tun.  Ja, viele Menschen, die sich mit mir unterhalten haben, haben mich als mutig bezeichnet, aber ich habe mich nie so empfunden. 

Vielleicht erst einmal ein bisschen Statistik:

 

- 3.840 km (in der Planung mit google maps waren es nur 3.000 !! ) in

- 63 Tagen, davon 7 Ruhetage (meine Reservetage habe ich nicht benötigt)

- Macht durchschnittlich 69 km pro Fahrtag, das entspricht meiner Planung. So von 10 - 17/18 h am Tag mit den Fotostops und meist 2 Pausen. 

- 23.672 Höhenmeter, durchschnittlich 422 pro Tag. Anfangs haben mich Höhenmeter ein bisschen geängstigt, da ich keine Erfahrung damit hatte.  Aber zu jedem Anstieg gehört eine Talfahrt, daher gleicht sich das auch beim Stromverbrauch wieder aus. Und am Ende habe ich meinen Stolz runter geschluckt und die Möglichkeiten des e-bikes voll ausgenutzt, egal ob bei Gegenwind (immer in der 2. Stufe) oder bei Anstiegen ( immer rechtzeitig in die höhere Stufe geschaltet. Treten = Kraft einsetzen muss ich ja trotzdem noch  😉).

 

 

 

Mein Fahrrad:

 

ein Riese+Müller Nevo3 GT Tourenrad, Modell 2021

mit dem 625 W Motor von Bosch

und dem großen Akku

mit dicken Reisereifen, gefedertem Sattel und großem Rückspiegel

der Nyon-Steuerung incl. Navi, Routenplanung bzw. -übertrag von anderen Medien, sowie diversen statistischen Erfassungen

und GPS-Überwachung, die aber nicht gebraucht wurde. Oder der Aufkleber hat es verhindert ;-) .

 

Das erste Fahrrad meines Lebens, das auf meine Körpermaße abgestellt wurde und das damit soviel mehr Spaß macht als alle vorher.

 

Natürlich kann man alles auch unterwegs lernen. Aber ich empfehle, sich vorher mit seinem Fahrrad auch außerhalb der 'ebenen Asphaltstraße' vertraut zu machen, dann ist es unterwegs einfacher.

 

Unterwegs gab es mehr Service-Stationen als erwartet :-). Einfach auf der Riese+Müller-Seite den Standort eingeben, und es liefert alle lizensierten Werkstätten.

 

 

Übernachtung, die Gretchenfrage:

 

Zelten:

in Ländern mit guter Campingplatz-Struktur wie z.B. Frankreich auf jeden Fall billig (EUR 8 -23), flexibel, ohne Anmeldung, ggfls. mehrere in einem Ort zur Auswahl. Durch Selbstversorgung wird auch die Lebenshaltung preiswerter.

 

Aber einige alleinreisende Frauen erzählten mir auch, dass sie auf Campingplätzen belästigt worden sind, insbesondere von betrunkenen jungen Männern und entlang des Camino de Santiago. Daher übernachten sie gerne wild in der Landschaft, dort, wo sie niemand beim späten Zeltaufbau beobachtet. Da ist es nicht so empfehlenswert, ein rotes Zelt zu haben wie ich ... Ein Mann machte das konsequent an Friedhöfen oder in der Nähe der Rathäuser, weil es dort Wasser gibt.

 

Hostals, Hotels, B+B oder wie immer es gerade in der Landessprache heißt:

wenn es kalt, regnerisch und lange dunkel wird, ist ein festes, warmes Dach über dem Kopf schon angenehmer. Gleichzeitig bedeutet es auch, sich auf die Gepflogenheiten des jeweiligen Landes einlassen zu müssen (wann ist wer erreichbar? wann bekommt frau wo etwas zu essen? etc. ). Auf der anderen Seite kommt man hinter die manchmal abweisenden Fassaden der Häuser (es gibt keinen Campingplatz, zu dem ich unbedingt zurückkehren möchte, aber zu einigen wunderschönen Hotels)  und man muss mit den Menschen in Kontakt treten, was zu den schönsten Erlebnissen geführt hat (heutzutage auch mit Übersetzerprogrammen möglich). Natürlich ist dieser Komfort spürbar teurer.

 

Ich habe alle Hotels über booking.com gesucht, egal, ob ich die dann auch darüber gebucht oder nur ausgesucht habe ;-)).

 

Ich habe durchschnittlich ausgegeben:

in Frankreich: 36 € /Tag

in Spanien:     73 € /Tag

in Portugal:     74 € /Tag

 

Es macht vielleicht Sinn, eine Tour so zu planen, dass man sich für eine Übernachtungsform entscheiden kann. Und falls das nicht sinnvoll ist, eine Tasche mit allen benötigten Utensilien für das Hotel zu packen. Dann können die anderen Taschen häufig am Fahrrad bleiben.

 

 

Ausrüstung:

 

was ich dabei hatte, aber zum Glück nicht gebraucht habe:

 

-Werkzeug und Flickzeug (theoretisch den Imbusschlüssel, um den Spiegel wieder zu befestigen. Aber da waren Männer schneller)

 

- Medikamente und Verbandszeug (bis auf Magnesiumtabletten gegen die Wadenkrämpfe nachts)

 

- die gute, 'große' Kamera, mit der ich bisher immer fotografiert hatte. Es war soviel einfacher und schneller mit dem Handy, vor allem, nachdem ich sie ab Toledo 'an die Leine gelegt' hatte. An 3 Stellen habe ich parallel fotografiert und kann jetzt nach Vergleich auf dem größeren Laptop sagen, dass die Handykamera sogar in den meisten Fällen bessere Bilder lieferte. Lediglich im Telebereich versagt die Handykamera noch, da produziert meine wolkige Bilder. Ein Nachfolgemodell hat jetzt ein zusätzliches Objektiv für den Telebereich erhalten. Das leiste ich mir vor der nächsten Tour. Aber die meisten Fotos sind im Bereich des leichten Weitwinkels entstanden.

 

- e-reader für Bücher, die geringe Mußezeit habe ich mit Sudokus gefüllt. Auch auf Papier-Landkarten für den Überblick werde ich zukünftig verzichten.

 

- Sonnenschutzmittel: hatte ich dabei, aber nicht aufgetragen. Am Ende des Sommers war meine Haut gebräunt und ich vertrage Sonne ganz gut. Aber es gab Bereiche (Nacken und Gesicht, Oberschenkel), die trotzdem noch Sonnenbrand bekommen haben. Auf meinen Schulterblättern hatte ich den hellen Streifen des Sport-BHs, da die Sonne noch durch mein T-Shirt gekommen war. Das werde ich beim nächsten Mal organisatorisch besser lösen müssen.

 

 

Was ich nicht dabei hatte und nicht vermisst habe:

- Laptop

- Uhr

- Fernsehen bzw. push-Nachrichten für die letzten Neuigkeiten. Die Welt drehte sich auch ohne mich weiter.

- irgendetwas zur Sicherheit wie z.B. Pfefferspray.

 

 

Was ich lieben gelernt habe:

 

- die große Powerbank, mit der ich nachts mein Handy neben mir im Zelt wieder aufladen konnte und die auch zum Karten-Runterladen als 'sichere Stromquelle' gebraucht wurde.

- das kleine outdoor-Stühlchen von Helinox, in dem ich stundenlang und ohne Rückenschmerzen sitzen konnte

- die faltbare Waschschüssel aus LKW-Plane, die uns schon seit Jahrzehnten begleitet.  Die ich erstmals aber nicht nur zum Wäschewaschen, sondern danach zum sauberen Abstellen meiner Lebensmittel und Utensilien, z.B. beim Kochen etc., benutzt habe.

- die Hülle mit Trageleine für mein Handy: damit konnte ich jetzt das Handy 'sicher am Körper' verstauen, insbesondere im Hosenbund hinten. Und brauchte es nicht zeitaufwändig aus der Lenkertasche herausholen. Das wurde mir vorher schon einmal empfohlen, aber ich konnte mich nicht damit anfreunden. So zumindest für die letzten 3 Wochen und alle zukünftigen Reisen :-)

 

 

Kleidung:

 

Mehrere Frauen und ein paar Männer erzählten mir ohne Nachfrage als Erstes, dass sie viel zuviel Kleidung dabei hatten, insbesondere T-Shirts. Das ist mir nicht passiert, wahrscheinlich, weil ich auch im mormalen Leben Minimalistin bin sowie von den Motorradtouren her an wenig, aber funktionale Kleidung gewöhnt bin. Also jede Art von Kleidungsstück immer nur 1x, dafür aber erprobt in seiner Funktion und so leicht wie möglich (z.B. Schlafanzug aus Seide; Nichts aus Baumwolle) und evtl. mehrfach verwendbar (z.B. T-Shirt auf links als Kopfkissenbezug).

 

Außerdem habe ich die Sportkleidung und die 'Abend-/Stadtkleidung' konsequent durch 2 unterschiedliche Säcke sowie Duschen getrennt.

 

Auch da gab's 2 neue Lieblingsstücke: ein leichtes Travelkleid (nach dem Duschen erst als lockerer Einteiler, später passte die Fleecehose drunter und die Fleecejacke drüber. Zum Glück gibt's davon kein Foto ;-)) ) sowie leichte Badeschlappen von crocs (ohne Zehenriehmen, sodass ich auch Socken anziehen konnte, außerdem war das Fußbett so klasse, dass ich darin auch größere Strecken laufen konnte, im Gegensatz zu klassischen Flipflops).

 

 

 

Vorbereitung:

 

Ist ausgefallen. Aus Zeitgründen, weil ich zuviele andere Projekte begleitet habe. Es geht also auch ohne :-))))

 

Ich wusste von Anfang an, welche Punkte fix waren: zu ein paar Schlössern an der Loire, Madrid, Lissabon und das Cabo Sao Vicente. Der Rest ergab sich unterwegs, wenn ich max. 2 Tage im Voraus die Route mit Komoot plante. Auf den separaten Radwegen in Frankreich war zwar weniger los als erwartet, aber die 'freien Strecken' durch Spanien und Potugal haben mir noch besser gefallen. Ich glaube, der Mix macht es.

 

Leider habe ich Komoot zu spät entdeckt. Was das Programm an Strecken und ihre Beschaffenheit kennt, ist genial. Ich habe unterwegs manchmal darauf geschimpft, aber das war genaugenommen 'users error', weil ich einige Details erst unterwegs gelernt habe oder nicht genau genug geplant habe.

 

Größtenteils habe ich erst am Tagesziel die Sehenswürdigkeiten etc. gegoogelt, oder was mir unterwegs aufgefallen war. Aber damit konnte ich die Informationen verarbeiten und zuordnen. Heute fallen mir die Namen von vielen Orten schon nicht mehr ein...

 

Es ist sinnvoll, einen Handytarif mit einem ausreichenden Volumen auch für Datenfressser wie maps und komoot zu haben. Genau passend vor meinem Start machte ein Anbieter das Angebot, u.a. 10 GB mobile Daten für 20 Euro/Monat als Familienkarte, da habe ich dann meinen uralten Tarif mit EUR 15,- p.M. gerne abgegeben. Unterwegs habe ich auch schon mal 6 GB von den 10 GB verbraucht, aber mich auch in kein fremdes WLAN-Netz eingeloggt.

 

 

 

Klima / Wetter:

 

Es war perfekt :-). 

 

Ich bin nur 3x für 2 Stunden im Dauerregen gefahren, sonst kleine Schauern oder Tropfen. Aber in der Wetter-App war viel mehr Regen angekündigt, der sich meist weiter rausschob und dann in Wohlgefallen auflöste. Oder ich bin ihm weggefahren ;-)). Also nicht mehr davon verunsichern lassen.

 

Anfangs sogar über 30 'C, aber 25 'C sind auch okay. Der kälteste Punkt war dann Madrid/Toledo, 700 m hoch, Kontinentalklima mit starken Temperaturschwankungen, Ende September dann auch Richtung 5 'C. Danach wurde es wieder wärmer. Für Mitte November erwarteten die Einheimischen, dass es kühler, unbeständiger und regnerischer wird.

 

 

 

Wege:

 

In Frankreich gibt es ein großes Netz an Fahrradwegen, auch in den Städten. Auch gute Internetseiten dazu. (Ich bin noch nie ein Fan von Papier-Reiseführern gewesen. Vorbereitung für eine Reise geht bei mir immer über google earth, google, wikipedia etc.)

 

Spanien und Portugal haben mich überrascht.

 

In den Städten gibt es separate Radwege, deren Beschaffenheit darauf schließen lässt, dass einige schon viele Jahre existieren. Aber keine Wegweiser, wohin sie führen. Gerade in Spanien lagen sie manchmal in der Mitte der Fahrspuren. Und sie werden an den kritischen Stellen immer umsichtig und eckig um die Gefahrenstellen herumgeleitet. Was zum Abbremsen führt. Oder bei geringem Verkehr auch dazu, lieber die Straße zu nutzen. Daneben gibt es separate Fahrrad-Ampeln bzw. Vorfahrtsschilder zu Gunsten der Fahrräder. Außerdem werden Fahrspuren auf 30km/h reduziert und sollen/können von den Radfahrern genutzt werden, außer Schildern ist das auf dem Boden aufgemalt.

 

Die Landstraßen in Spanien hatten meistens breite Seitenstreifen, wie wir sie nur von Autobahnen kennen. Auf denen ließ sich prima fahren :-). In Portugal gab es diese nicht oder kaum, aber dafür immer nur wenig Verkehr (da, wo ich unterwegs war ;-)  )

 

Das viel Interessantere ist aber die Einstellung der 'hitzigen' Latinos: ganz ruhiger, rücksichtsvoller  Umgang, kein Gehupe, respektvolles Überholen mit Sicherheitsabstand. In der Stadt bin ich durch die vielen Kreisverkehre oft mühelos im Verkehrsstrom 'mitgeschwommen', da die Autos gar keine 30 km/h erreichen konnten, oder ich konnte sie bei den vielen Staus rechts überholen. Die einzige kritische Situation habe ich durch einen deutschen Vito erlebt, der konnte es trotz Gegenverkehrs nicht erwarten zu überholen. Insofern habe ich sowohl die Landstraßen als auch die Städte als fahrradtauglich erlebt und mich nie gefährdet gefühlt.

 

Wie schon oben erwähnt, habe ich mir meinen Weg alleine mit 'Komoot' gesucht. Mit dieser App sollte man sich aber vorher ein bißchen auseinander gesetzt haben und ein paar Touren gefahren sein. Wenn man z.B.  nach unten scrollt, wird das Höhenprofil angezeigt; und wenn darin eine rote Stelle auftaucht, ist es dort ziemlich steil...